Zu Besuch an der Schnittstelle von Vergangenheit und Zukunft

Am südlichen Ufer des zukünftigen Klinger Sees hat sich in den vergangenen Jahren ein touristisches Kleinod entwickelt. Gerade jetzt, wenn die Natur wieder erwacht, lohnt sich ein Besuch.

Von der Gemeinde Klinge kommend, nahe des Sportplatzes, empfängt ein riesiges Holztor den Besucher. „Naturpark Klinge-Gosda“ prangt auf dem Schild über der Durchfahrt. Auf dem sich anschließenden „Erinnerungsfeld Klinge“ kann sich der Besucher über den aktuellen Stand der Flutung des Klinger Sees informieren, in Hunderttausend Jahre Erdgeschichte eintauchen oder am Raubrittertor in die Lausitzer Sagenwelt abtauchen.

Nach Durchzug des Tagebaus Jänschwalde-Süd und Rekultivierung begann am 27. November 2000 die Flutung des Südrandschlauches Jänschwalde, dem zukünftigen Klinger See. 100 Millionen m³ Wasser werden einmal eine Fläche von 320 Hektar bedecken. Der maximale Wasserstand soll sich bei 71,5 m Normalhöhennull (abgekürzt NHN, gibt in Deutschland die Höhenangabe über dem Meeresspiegel an) einpegeln. Doch bis es soweit ist, werden wohl noch etliche Jahre vergehen. Bisher wurden 19 Mio. m³ Wasser eingeleitet, der aktuelle Flutungsstand liegt bei 53,5 m NHN, was einem derzeitigen Füllstand von 53% entspricht. 2020 wurde überhaupt kein Wasser eingeleitet. Das Flutungsende wird erst nach den noch notwendigen Sanierungs- und Böschungsarbeiten angepasst (alle Angaben laut LMBV, Stand Dezember 2020).

Am kleinen überdachten Aussichtspunkt kann man sich jedoch schon heute einen Überblick über die zukünftige Ausdehnung des Klinger Sees machen. Schautafeln vermitteln interessante Fakten zur Klinger Geschichte, zur Herkunft der Ortsbezeichnungen und zu einem Ereignis, daß den kleinen Ort Klinge 1927 auf einen Schlag weltberühmt machte: der Ozeanflieger Chamberlain mußte am 6. Juni, dem Pfingstmontag, von New York kommend auf seinem Flug nach Berlin in Klinge notlanden.

Nur wenige Schritte vom Aussichtsturm entfernt fallen am Raubrittertor 3 Ritterbüsten auf. Der Sage nach hausten auf einer nahe gelegenen Burg Raubritter. Sie überfielen reisende Leute, plünderten sie aus und nahmen sie gefangen. Man nahm sie als Geiseln und steckte die Armen in das Burgverlies. So erschlossen sich die Raubritter noch eine zusätzliche Geldquelle und erpressten von den Angehörigen hohe Lösegelder.
Wenn diese jedoch nicht gezahlt wurden, schnitt man den Gefangenen bei lebendigen Leibe die Unterkiefer ab. Dem Kurfürst Joachim der I. von Brandenburg gelang später, die als uneinnehmbar geltende Burg zu zerstören. Die letzten Raubritter – drei Brüder – nahm er gefangen und steckte sie in den Kerker. Als Strafe für die begangenen Freveltaten schnitt man ihnen ebenfalls die Unterkiefer ab. Zur mahnenden Erinnerung sind später drei Büsten aus Sandstein von den letzten drei Raubrittern von Klinge mit abgeschnittenen Unterkiefern angefertigt worden.

Das Raubrittertor. Im Hintergrund der Aussichtpunkt.

Vom Raubrittertor führt unsere kleine Exkursion ins nahe Freiluftmuseum „Zeitsprung“, das ganzjährig bei freiem Eintritt geöffnet ist. Das 2008 eröffnete Museum zeigt ein Bodendenkmal der besonderen Art. Anhand der aufgeschlossenen Schichtenfolge unterschiedlicher Böden lässt sich die Erdgeschichte und die Entwicklung eines eiszeitlichen Sees ablesen. In der Eem-Warmzeit vor ca. 128000-115000 Jahren entstanden die Klinger Tonvorkommen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in diesen Tonvorkommen die rechte Geweihschaufel eines damals lebenden Riesenhirsches gefunden, was für die Naturwissenschaften einen kleinen Meilenstein bei der Erforschung des Eiszeitalters bedeutete. Ein nachgebildetes Exemplar dieses Riesenhirsches befindet sich ebenfalls im Museumsareal. Und im Kuppelbau unweit der Uferkante ist eine Nachbildung eines in Klinge gefundenen Wollhaarigen Mammuts samt „Baby-Mammut“ ausgestellt.

Unterschiedliche Bodenschichten geben einen Einblick in die Erdgeschichte
Der Kuppelbau des Museums. Im Innern befindet sich der Nachbau des Mammuts.
Ein Riesenhirsch steht im angrenzenden Park.

Entlang eines Rundweges lässt sich die heimische Flora und Fauna entdecken. Überall auf dem idyllisch gelegenen Gelände, an der Schnittstelle eines zukünftigen Sees zu einem urzeitlichen Sees, kann man einen „Zeitsprung“ zwischen Zukunft und Vergangenheit wagen.

Zu finden ist das „Zeitsprung“-Freiluftmuseum am Ziegeleiweg in Klinge. Von Gosda oder Kathlow kommend ist die Anfahrt für Touristen ausgeschildert. Parkplätze und Radabstellmöglichkeiten sind vorhanden. Zum Verweilen vor Ort laden Holzbänke und -tische ein.

Über Thori 33 Artikel
Blauäugiger freiberuflicher Dichter und Denker, Jahrgang 67, Kreativling, Kulturschaffender, Fotograf, Filmperlentaucher und Pfützenländer, Fleischesser und Milchtrinker; wurde als Kind mehrmals geimpft, ohne jemals daran gestorben zu sein; mehrfacher Träger der roten Mai-Nelke und Teilnehmer am Betriebskantinenessen

3 Kommentare

  1. Der Name „Naturpark“ soll urheberrechtlich geschützt sein… Der „Natur“Park Klinge-Gosda darf somit nicht als dieser genannt werden und zählt nicht als Naturpark… so sagt man hier… typisch Deutschland…

    • Ich habe keine Kenntnis darüber, warum „Natur“ durchgestrichen ist. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß der Park noch nicht endgültig fertiggestellt ist und noch erweitert wird und daß deswegen die Beschilderung noch nicht vollständig ist.

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